Das Spiel

Gefeiert wird diese grundlegende menschliche Eigenschaft und Fähigkeit: Menschen sind Spieler insofern sie Zukunftswesen und insofern sie soziale Wesen sind. Wenn wir spielen, etwas an der Börse, spekulieren wir auf etwas, das nur in unserer Vorstellung da ist. Wer spielt, z.B. auf einer Bühne, verlässt seine angestammte Position, bleibt nicht ausschließlich er oder sie selbst. Wer spielt, ist immer ein bisschen außer sich. Dieses Außersich-Sein, diese Form der Ex-Istenz, ist die Bedingung menschlicher Freiheit. Spielen ist in diesem Sinne ein eminent politischer Akt.
Wenn wir uns, zum Beispiel im Namen der “Wahrheit / Authentizität“ diese Möglichkeit nehmen, verlieren wir ein entscheidendes Mittel der Verständigung und letztlich der Erkenntnis. Mit Möglichkeiten zu spielen, wird im Theater täglich geübt und erweitert. Es ist die Fähigkeit, spielend einen anderen Standpunkt einzunehmen als den des „Ich“ und „Wir“. Diese Fähigkeit kann gar nicht gut genug ausgebildet sein – und sie ist es nicht, wie sich täglich beobachten lässt.

Martin Kusej - Residenztheater, Brief vom 21.Mai 2018

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